Francesco Petrarca

1304 – 1374           Italien

 

In Übersetzungen von

Johann Gotthard von Reinhold

 

 

 

Allein und sinnig auf ödsten Fluren,

Zähl’ ich mit schwerem Gang die trägen Stunden;

Die scheuen Augen haben sich verbunden,

Zu meiden jedes Menschentrittes Spuren.

 

Daß nicht die Leute alles schön erfuhren

Davon hat dieses mich allein entbunden;

Sie hätten bald in trüben Blick gewunden,

Wie Flammen mit der armen Brust verfuhren.

 

So glaub’ ich wol, daß Berge schon und Küsten,

Und Fluß und Wald mein Leben bald ergründet,

Das sich verborgen hält für jeden Andern.

 

Doch nicht so rauhe Berge, solche Wüsten

Kann ich erspähn, wo Amor mich nicht findet,

Und uns besprechend wir zusammen wandern.

 

 

 

 

Wann zwischen andern Frau’n zu mancher Stunde

Amor in ihrem Antlitz sich verkündet,

je mehr dann jede neben ihr verschwindet,

je stärker brennt der Sehnsucht alte Wunde.

 

Dann segn’ ich Ort und Jahrszeit und Sekunde,

als an so Hohem sich mein Aug entzündet,

und sprech’: Dein Dank, o Seel, ist wohl gegründet,

daß streben du gedurft nach solchem Bunde.

 

Sie hauchet dir den liebenden Gedanken,

der, folgst du ihm, dich führt zum höchsten Gute,

daß du verschmähst, was andre macht erkranken.

 

Sie rüstet dich mit jedem edlen Mute,

der dir des Himmels Bahn zeigt ohne Schranken,

so daß ich in erhabner Hoffnung flute.

 

 

 

Beschämt zuweilen, daß noch nicht im Schalle

von meinen Reimen euer Reiz entzücke,

denk’, Herrin, ich die Zeit der ersten Blicke,

seitdem nicht eine lebt, die mir gefallen.

 

Doch bald zu fern das Ziel, zu dem ich walle,

und für das Meer find’ ich mich ohne Brücke.

Dann fühlt sich der Verstand zu weit zurücke

und zittert, daß ihm jede Kraft entfalle.

 

Oft wollten schon die Lippen sich bewegen,

doch war kein Laut aus meiner Brust zu treiben;

und hat sich je so hoch ein Ton verstiegen?

 

Auch Reime fing ich oft an hinzuschreiben;

doch meine Feder, Hand und Dichtvermögen,

im ersten Kampf mußt’ alles unterliegen.

 

 

 

Zu Tränen ward mit Amorn ich bewogen,

aus dessen schönem Dienst ich nimmer flüchte,

bemerkend, daß durch seine bittern Früchte

sich eure Seele seinem Bund entzogen.

 

Daß Gott zur rechten Bahn euch heimgezogen,

mit Hand und Herz, die ich gen Himmel richte,

sei’s ihm gedankt, des gnädige Gewichte

Gewährung oft dem Menschen zugewogen.

 

Und wenn beim Heimzug zu der Liebe Fahnen

euch Klüfte oder Hügel auf dem Wege,

den edlen Trieb zu schrecken, sich gezeiget;

 

so war’s zu deuten, daß auf rauhen Bahnen,

und über Felsenklippen, Dornenstege,

allein der Mensch zur wahren Tugend steiget.

 

 

 

Im Osten schimmerte der Stern der Liebe,

und wo im Norden sich der Himmel ründet,

war jener andre strahlend noch entzündet,

der Juno füllt mit eifersücht’gem Triebe.

 

Zum Spinnrad ging mit emsigem Betriebe

die Alte, die schon Feuer angezündet,

und jedem Liebenden war angekündet,

die Stunde schlägt, die dich in Tränen übe;

 

da trat mein Stern, der dem Erlöschen nahe,

mir vor das Herz, nicht auf den alten Bahnen,

die Schmerz umfeuchtet hielt und Schlaf gefangen.

 

Wie anders, ach, denn wie ich sonst sie sahe!

Warum verzweifeln, schien sie zu ermahnen;

noch darf dich meiner Augen Glanz umfangen.

 

 

 

Ich fühlte matter schon im Herzen quillen

die Geister, denen ihr gewährt zu leben,

und weil was lebt, dem Tod sich zu ergeben,

empfindet angebornen Widerwillen,

 

ließ ich, den jetzt bewachten Trieb zu stillen,

ihn auf die schier verlernte Bahn entschweben,

der Tag und Nacht gewidmet ist sein Streben,

entführt’ ich ihn nicht wider seinen Willen.

 

Da bracht’ er mich, den Bangen hielt zurücke,

hin zu den schönen Augen, die ich scheue,

weil ich sie ungern zürnend mir erblicke.

 

Kraft hat mein Leben nun, die es erneue

auf ein’ge Zeit, dank einem euer Blicke;

dann sterb’ ich, glaub’ ich nicht dem Trieb aufs neue.

 

 

 

Wenn Flamme nicht durch Flamme löschung findet,

noch jemals sich ein Fluß durch Regen leerte,

wohl aber Gleiches sich durch Gleiches mehrte,

und Gegenteil am Gegenteil oft zündet:

 

Warum, o Amor, der die Herzen bindet

und eine Seel zwei Körpern oft gewährte,

bewirkst du seltsam, was sich jetzt bewährte,

daß vieles Wollen schwachen Willen gründet?

 

Vielleicht daß wie der Nil, von Höhen fallend,

durch groß Geräusch das Volk umher betäubet,

und den, der in sie schaut, die Sonne blendet;

 

so das Verlangen, mit sich selbst zerfallend,

durch Übermaß entfernt vom Ziele bleibet,

und Übereilung nie den Weg vollendet

 

 

 

Nicht die Wünsche, die im Herzen toben,

durch falsches Stundenzählen mich betrügen,

so war’s umsonst, mir Wonne zu geloben;

die Zeit ist da, und die Minuten fliegen.

 

Welch böser Schatten senkte sich von oben,

und macht des schönen Keims Verheißung lügen?

Und welche Scheidewand hat sich erhoben,

daß die versprochnen Früchte jenseits liegen?

 

Ach, weiß ich’s! Doch was ich mir wohl erkläre,

ist, daß zur Schärfung nur der bittern Leiden

so süße Hoffnung Amor mir gewährte;

 

damit sich so, was ich einst las, bewährte:

Daß, ehe nicht die letzten Stunden scheiden,

nicht ein Mensch glücklich hier zu nennen wäre.

 

 

 

Ich liebte stets, wie ich mit Inbrunst liebe,

ja, mehr noch lieben will von Tag zu Tage,

den holden Ort, wo wandernd oft ich klage,

wann Amors Will ist, daß ich mich betrübe.

 

Der Zeit, der Stunde weih’ ich treue Liebe,

die mich enthoben jeder niedern Plage,

und ihr noch mehr, von deren Reiz ich sage,

daß er für mih ein Sporn ist edler Triebe.

 

Wer aber dachte je, vereint zu schauen,

bald hier, bald da, das Herz mir zu bekriegen,

die Feinde, denen ich so ganz ergeben?

 

Wie mächtig, Amor, bist du heut, zu siegen!

Belebte nicht die Sehnsucht das Vertrauen,

ich stürb’, wo ich am meisten wünsch’ zu leben.

 

 

 

O du vor allen hochbeglückte Stelle,

wo seinen Flug ich Amorn sah vollenden,

um mir die schönen Augen zuzuwenden,

die Glanz den Tagen leihn, den Nächten Helle:

 

Viel eher würde wie die Wasserwelle

der Diamant vergehn in Menschenhänden,

als je die Zeit den Anblick mir entwenden,

daß er lebendig nicht der Brust entquelle.

 

So häufig werd’ ich nie dich wiederfinden,

daß ich gebückt die Spur nicht sollte suchen,

geprägt im holden Gang vom schönen Fuße.

 

Und kann aus edler Brust nie Liebe schwinden,

beut mein Sennuccio gern auf dein Ersuchen,

wenn du ihn siehst, ein Tränchen dir zum Gruße.

 

 

 

So oft die Flammen meines Busens wüten,

ach, zwischen Tag und Nacht zu tausend Malen,

kehr’ ich zum Ort, wo ich gesehn die Strahlen,

die meines Herzens Brand auf ewig hüten.

 

Da fühl’ ich Ruh und kann der Brust gebieten;

es möge Mond, es mög’ die Sonne strahlen –

mir lieblich der Erinnrung Bild zu malen,

und jedem andern Lebewohl zu bieten.

 

Der sanfte Hauch, der aus den klaren Zügen

entströmet mit dem Klang der klugen Worte,

Lust zu verbreiten, wo er sich verkündet,

 

scheint wie ein guter Geist aus höherm Orte,

in jener Luft mich tröstend zu umfliegen,

so daß mein Herz nur da die Ruhe findet.

 

 

 

Verfolgt von Amorn auf bekannten Wegen,

stand ich wie einer, der des Kriegs Gefahren

besorgt, behutsam mich davor zu wahren,

und setzt’ ihm meinen alten Sinn entgegen.

 

Da sah ich einen Schatten sich bewegen,

und auf der Erde sie, die jener Scharen

des Himmels wert, bin ich nicht fern vom Wahren,

statt die Gestalt dem Boden aufzuprägen.

 

Ich sprach zum Herzen: Was fährst du zusammen?

Kaum konnte der Gedanke mich durchzücken,

sah ich die Strahlen schon, die mich entflammen.

 

Da fühlt’ ich mich von ihren Himmelsblicken,

und – so mischt Donner sich mit Blitzesflammen –

von einem holden Gruß zugleich beglücken.

 

 

 

Dich, mein Sennuccio, hab’ ich auserlesen,

mein Schicksal dir und Leben zu verkünden,

die alte Glut, die Sehnsucht wirst du finden;

denn Laura herrscht; ich bin, der ich gewesen.

 

Hier demutsvoll, und dort war stolz ihr Wesen;

hier konnt’ ihr Zorn, dort Sanftmut mich entzünden,

hier sah ich streng, dort huldreich sie verschwinden,

hier hab’ ich Trutz, dort Lieb im Blick gelesen.

 

Hier saß sie, himmlisch hat sie dort gesungen;

hier hat sie sich gewandt, da blieb sie stehen,

dort hat sie mit den Augen mich durchdrungen.

 

Hier sprach sie, dort hab’ ich sie lächeln sehen,

erröten dort. Von Amorn, ach, umschlungen,

leb’ Tag und Nacht ich nur in den Ideen.

 

 

 

Ergriffen von der namenlosen Süße,

die jenem schönen Antlitz einst entflossen,

da hätte gern mein Auge sich geschlossen,

damit es mindre Schönheit nie begrüße.

 

Da floh mich jede Sehnsucht; ich genieße

nur ihren Anblick, jedem sonst verschlossen,

als ob dem Geist, in ihrem Schaun ergossen,

schon lang, was sie nicht ist, wie Tand zerfließe.

 

Zum Tale, das die Felsen rings umgeben,

der Zuflucht meiner Seufzer, kam alleine

mit Amorn ich, die Schwermut in dem Blicke.

 

Nicht Frauen seh’ ich dort, nur Quell und Steine,

und jenes Tages Bildnis mich umschweben,

den mein Gedanke malt, wohin ich blicke.

 

 

 

Hielt von Natur der Fels, der im Umschließen

des Tales hier den Namen ihm geboren,

den Rücken scheu gewandt nach Babels Toren,

um Rom mit seinem Antlitz zu begrüßen:

 

So würden leichter hin die Seufzer fließen

zum Ort, den ihre Hoffnung sich erkoren;

jetzt gehn verstreut sie, wenn auch unverloren,

zum Ziele, wie sie hingelangen müssen.

 

Dort werden sie so huldreich aufgenommen,

wie ich’s bemerke, daß nicht einer kehret:

Solch Glück entkeimt für sie auf jener Erde.

 

Das Auge fühlt’s; kaum ist der Tag entglommen,

gibt Sehnsucht nach den Fluren, ihm verwehret,

mir Tränen und dem müden Fuß Beschwerde.

 

 

 

Es sind der Jahre sechzehn nun entronnen,

seitdem ich seufz’, und immer vorwärts eile

ich hin zum Ziel; doch erst vor kleiner Weile,

so scheint mir, habe jenes Leid begonnen.

 

Das Weh hat Heil, das Bittre süße Wonnen:

Ob hart das Leben, bet’ ich, daß es weile

für beßres Glück, besorgt, zu früh ereile

der Tod die Augen, die mein Herz gewonnen.

 

Hier bin ich, doch ist anderswo mein Sehnen,

ich will, doch ist mein Wollen mir im Wege,

und alles tu’ ich, meinem Tun zu wehren.

 

Und alter Sehnsucht neugeweinte Tränen

bezeugen, daß ich stets bin, der ich pflege,

und tausend Kämpfe mich mir gleich bewähren.

 

 

 

Ist’s Liebe nicht, was ist es, das ich fühle,

und ist es Liebe, wie soll ich’s erklären?

Ist sie ein Gut, woher die bittern Zähren?

Ein Übel, wie so himmlisch dem Gefühle?

 

Woher das Leid, wenn frei ich mit ihr spiele?

Nicht frei, was kann die Klage mir gewähren?

O Seligkeit zu fühlen, Tod zu nähren,

wenn ich’s nicht will, wie dien’ ich dir zum Spiele?

 

Und will ich’s, ist nicht Unrecht die Beschwerde?

So treib’ ich steuerlos, in schwachem Kahne

auf offnem Meer, ein Raub empörter Winde:

 

So leicht an Weisheit und so schwer an Wahne,

daß ich am eignen Willen irre werde,

im Sommer Frost, im Winter Glut empfinde.

 

 

 

Ich finde Frieden nicht und kann nicht kriegen;

ich hoff’ und fürcht’, ich glüh’ und ich erblasse;

die Erde hält mich, Himmel sehn mich fliegen,

alles umschling’ ich, da ich doch nichts fasse.

 

Man läßt mich frei nicht, nicht in Banden liegen,

weiß nicht, ob man mich halt’, ob mich entlasse;

nicht fallen läßt mich Amor und nicht siegen,

zweifelt, ob er mich töt’, ob leben lasse.

 

Ich seh’ und ich bin blind, bin stumm und klage,

ich ruf’ um Hülf und wünsche mein Verderben;

ich hass’ mich selbst, indes ich andre liebe.

 

Mich labt der Schmerz; ich frohlock’ und verzage;

ich mag nicht leben, und ich mag nicht sterben;

dies ist mein Zustand, Herrin, euch zuliebe.

 

 

 

Der Himmel stürz’ auf deinem Haupt zusammen,

Ruchlose, die von Eicheln und vom Flusse

durch Armut andrer kamst zum Überflusse,

da Böses nur dich kann mit Lust entflammen!

 

Nest von Verrat, woraus der Welt entstammen,

was Wehn sie dankt dem sündlichen Ergusse,

wo Trunk und Schlemmen dient zum Vollgenusse,

und man sich wälzt in jeder Unzucht Flammen:

 

Dirnen und Greise schwärmen los vom Zügel

durch deine Kammern; Satan führt den Reigen

und trägt das Feu’r, den Blasbalg und die Spiegel.

 

Nicht Weichlichkeit war deiner Kindheit eigen;

nackt liefst im Wind, barfuß auf Dorn und Hügel:

So treib’s, daß bis zu Gott der Qualm mög’ steigen.

 

 

 

Das schnöde Babel hat das Maß gefüllet

von Gottes Zorn, des Lasters und der Sünde:

Nicht Zeus und Pallas nicht; es wählt das Blinde

zu Göttern, Venus, Bacchus, unverhüllet.

 

Der Rache harr’ ich, stets noch ungestillet;

doch ist ein Sultan, den ich ihr verkünde,

berufen, daß er in Baldacco gründe

den einz’gen Sitz, wiewohl sich’s spät erfüllet.

 

Der Götzen Reich wird gänzlich dann zerrinnen,

die Türme stürzen, die dem Himmel dräuen,

die Türmer brennen außen wie von innen.

 

Dann wird die Welt sich edler Herrscher freuen,

das goldene Jahrhundert wird beginnen

und sich der Vorzeit Ruhm und Glück erneuen.

 

 

 

Der Amor, der schon lang im Kopf mir nistet

und sich mein Herz zum Hauptsitz auserwählet,

kommt dann und wann, von kühnem Mut gestählet,

auf meine Stirn, bewaffnet und gerüstet.

 

Doch sie, vor der sich Liebe neigt, nicht brüstet,

und der sich Glut, von Hoffnungen beseelet,

aus Ehrfurcht und Vernunft und Scham verhehlet,

ist über solche Kühnheit baß entrüstet.

 

Nun fliehet Amor, den die Furcht erschüttert,

ins Herz, gibt alles auf, mit Angst und Klage,

verbirgt sich dort, nicht mehr ans Licht getrieben.

 

Was kann ich tun, wenn mein Gebieter zittert,

als bei ihm bleiben bis zum letzten Tage?

Schön endet, wer da stirbt in schönem Lieben.

 

 

 

So wie bisweilen in des Sommers Stunden

die Mücke, von dem Lichtstrahl angezogen,

zur Lust nach fremden Augen hingeflogen

und sich den Tod gibt und den andern Wunden:

 

so renn’ ich stets, von dem Geschick verbunden,

zum Strahl der Augen, die so himmlisch wogen,

daß jedem Zügel durch die Lieb entzogen,

Vernunft von der Begier wird überwunden.

 

Wohl seh’ ich, wie gering ich jenen scheine,

und weiß, daß bald es sich mit mir vollende;

denn solcher Schmerz beugt eine Kraft wie meine.

 

Allein es macht der Liebe süße Blende,

daß andrer Schmerz, mich selbst ich nicht, beweine,

und blind die Seele willigt in mein Ende.

 

 

 

So hehr sah ich die Sonne nimmer strahlen,

wenn sie die nebelfreiste Luft durchzogen,

noch durch den Regen je den Himmelsbogen

mit so viel Farben an dem Äther prahlen;

 

als ich mit tausendfachen Flammenstrahlen,

am Tage, da mich Lieb’ einst angezogen,

das Angesicht, das, höhrer Welt entzogen,

der Erde glänzt, sich zauberisch sah malen.

 

Ich sah in ihren Augen Amorn spielen,

so hold, Sennuccio, daß mir seit der Stunde

ein jeder Glanz erschien wie dunkles Grauen.

 

Ich sah ihn, ach, auf mich den Bogen zielen,

und ob mir nie seitdem das Herz gesunde,

doch glüht’s, das alles noch einmal zu schauen.

 

 

 

Nicht floh, von schwarzer Sturmnacht rings umfangen,

ein Schiffer je zum Port, der Ruh verheißen,

als ich, mich stürm’schen Trieben zu entreißen,

entflieh, wohin mich lockt ein groß Verlangen.

 

Und nie gab sterblich Auge sich gefangen

himmlischem Licht, wie meins dem hehren Gleißen

des schönen süßen holden Schwarz und Weißen,

wo Amors Pfeile Schärf und Glanz erlangen.

 

Da seh’ ich ihn, ein wohlbewaffnet Wesen,

nicht blind, doch nackt, wie fern es Scham erlaubet,

ein Knab mit Flügeln, lebend, nicht im Bilde.

 

Mir zeigt von dort er, was er vielen raubet;

und läßt mich in den schönen Augen lesen,

was ich von Liebe sing und dichtend bilde.

 

 

 

Blumen und Gras, erwählt zu schönem Leben,

die Lauras Fuß vorübergehend drücket;

du Land, das ihre sanfte Stimm entzücket,

dem die geliebten Spuren sich verweben;

 

Stauden, von zart und frischem Grün umgeben,

blaßdunkle Veilchen, die ihr Liebe blicket,

Wald, dessen dunkle Nacht die Sonn durchzücket,

durch die sich stolzer deine Bäum erheben;

 

o süßes Land, o Fluß von einz’ger Reine,

der ihr Gesicht netzt und die Augen beide,

und klarer wird von dem lebend’gen Scheine:

 

Wie ich das liebe sitt’ge Tun euch neide!

Nicht fehl’ es fürder eurem kleinsten Steine,

daß er nicht mit an meiner Flamme leide!

 

 

 

Wohl tausend Fluren auf der Tagesreise

hat Amor mir gezeigt in den Ardennen,

gewohnt, den Seinen Flügel zu vergönnen

zum Fluge nach dem dritten Himmelskreise.

 

Mich freut, daß waffenlos auf solche Weise

ich war, wo Raub und Mord bewaffnet rennen;

ein mast- und steuerloses Schiff zu nennen,

in Irrgedanken wandernd, scheu und leise.

 

Doch als zum Ziel des Weges ich gelange,

bedenkend, was und wie ich es begonnen,

wird vor der eignen Kühnheit gar nicht bange.

 

Allein das schöne Land, des Stromes Wonnen

beruhigen mit freundlichem Empfange

das Herz, gewendet schon nach seiner Sonnen.

 

 

 

Wohl kannst du, Po, auf deinen mächt’gen Wogen

die Hülle meines Wesens nach dir ziehen;

doch wird dir leicht der innre Geist entfliehen,

deiner und aller äußern Macht entzogen.

 

Ihm wird am Mast kein Segel aufgezogen;

durch Lüfte, die von seiner sehnsucht glühen,

ist er, wo goldne Zweige lauernd blühen,

trotz Ruder, Wind und Fluten hingeflogen.

 

Erhabner, Stolzer Fluß, König der andern,

du strömst zur Sonne, die den Tag uns bringet,

ein schönres Licht gen Abend zu verlassen.

 

Du zwingst mein Sterbliches, mit dir zu wandern,

das andre von der Liebe leicht beschwinget,

entfliegt, die süße Heimat zu umfassen.

 

 

 

Es schlang von Gold und Perlen auf den Matten

Amor ein niedlich Netz sich, unter Zweigen

des grünen Baumes, dem ich ganz zu eigen,

obwohl mehr traurig mir, als froh sein Schatten.

 

Lockung die Saat war, wo sich Ernten gatten

von Süß und Herb, der Wunsch und Furcht sich neigen.

Seit jenem Tag, der ersten Schöpfung Zeugen,

so sanfte Klänge nie getönet hatten.

 

Das helle Licht, das schwinden macht die Sonne,

entstrahlte rings; der Strick war umgewunden

der Hand, der Schnee und Elfenbein sich bücken.

 

So fiel ins Netz ich; hier hält mich umwunden

der Rede Himmel und des Wesens Wonne,

und Hoffnung und Verlangen und Entzücken.

 

 

 

 

Wenn die Homere je und die Virgile

gesehn die Sonne, die mein Aug’ berühret,

es hätte sich zum Lob, das ihr gebühret,

vereint ihr Geist in beider schönstem Stiele.

 

Äneas hätt’s gehört mit Schmerzgefühle,

Achill, Ulyß und wen die Dichtung zieret,

wer sechsundfünfzig Jahr die Welt regieret,

und wen Ägisth geführt zum traur’gen Ziele.

 

Welch gleiches Los verbindet jene Blume

der alten Zeit an Tugend und an Mute

mit dieser neuen Blum an Zucht und Schöne!

 

Rauh sang einst Ennius zu jenes Ruhme,

von dieser ich, und o daß sie geruhte,

nicht zu verschmähn das Lob der schwachen Töne!

 

 

 

 

Die süße Luft, die diese Höhn belebet,

die dieses Haines Blüten heißt entstehen,

erkenn’ ich wohl an ihrem sanften Wehen,

dem, es besingend, meine Brust erbebet.

 

Ich wähne, daß sie hier sich leichter hebet,

und eil’, der schönen Heimat zu entgehen.

Heut hoff’ ich meine Sonne zu ersehen,

zu der um Licht mein trüber Sinn gestrebet.

 

So viele kost’ ich dort und solche Wonnen,

daß mit Gewalt mich hinziehn Amors Bande;

dann blendet sie, daß ich zu spät mich flüchte.

 

Mit Flügeln selbst wär’ nichts für mich gewonnen;

der Himmel will, daß mich das Licht vernichte;

durch Sehnsucht sterb’ ich fern, und nah im Brande.

 

 

 

 

Welch Schicksal führt mich wehrlos, welch Verblenden

ins Feld, wo immer ich erlag, zurücke?

Entrinnen kann ich nur mit hohem Glücke,

und sterb’ ich, muß es nicht zum Weh mir enden?

 

Zum Wehe, nein, zum Wohl, so süß entwenden

mein Herz die Funken, ja die Flammenblicke,

nach deren Blitzen ich so gierig blicke,

wiewohl sie zwanzig Jahre schon mich blenden.

 

Des Todes Boten fühl’ ich, wenn entgegen

von ferne mir die schönen Augen tragen,

doch wenn sie nahe jetzt sie auf mich richtet,

 

fühl’ ich mich so erregen und bewegen,

daß ich’s nicht denken kann, viel wen’ger sagen,

weil noch Verstand noch Sprach es treu berichtet.

 

 

 

 

Wohl mancher denkt, indem ich jene preise,

mein irdisch Heiligtum, ich überfließe,

wenn ich vor allem sie als schön begrüße,

holdselig, ehrbar, reizend, fromm und weise.

 

Doch ich empfinde Furcht auf andre Weise:

daß nicht mein schwach Gerede sie verdrieße,

der ein erhabneres sich widmen müsse,

der Zweifler komm’, daß ihm’s ein Blick beweise.

 

Dann spricht er: Wonach dieser strebt, ermüden

würd’s Manatua und Smyrna, Hellas’ Leier

und Roms und die beredtsten ihrer Zungen.

 

Den Götterstand kann Menschenzung hienieden

nicht schildern; Amor treibt sie nicht aus freier

Entschließung, sondern vom Geschick gezwungen.

 

 

 

Wer, was der Himmel und Natur vermögen,

will sehen, komm und schaue diese eine,

ein Sonnenbild, nicht meinem Aug alleine,

der Welt auch, der an Tugend nichts gelegen.

 

Doch komm’ er bald; der Tod auf seinen Wegen

entrafft die Besten, schonet das Gemeine.

Erwartet in der Seligen Vereine,

eilt ihm dies schöne flücht’ge Sein entgegen.

 

Kommt er bei Zeit, so wird ihm alles Schöne,

was jede Tugend, jeder Reiz vollendet,

in einem Wesen wunderbar erscheinen.

 

Dann spricht er, dann: Stumm seien meine Töne,

mein Geist geschwächt vom Licht, das ihn geblendet;

doch weilt er, muß auf ewig er’s beweinen.

 

 

 

Wie zittr’ ich, denk’ ich an den Tag zurücke,

als scheidend ich mein Herz bei ihr gelassen,

die trüb’ und ernst war; doch kann ich’s nicht lassen,

daß nicht das Bild mich traurig oft entzücke.

 

Ich seh’ sie stehen, Demut in dem Blicke,

bei schönen Frauen, die rings umfassen

wie Veilchen eine Rose; zwar gelassen

und schmerzlos, doch wie ahnend Schicksalstücke.

 

Sie war entblößt vom üblichen Geschmeide,

Kranz, Perlen, heiteres Gewand verschwunden,

Gesang und Scherz, das Lächeln aus den Zügen.

 

So zweifelnd ließ ich meine Lebensfreude;

Schreckbilder ängst’gen jetzt zu allen Stunden

und Zeichen mich; Gott wolle, daß sie trügen!

 

 

 

Ach schön Gesicht, ach reizendes Gebilde,

ach sanfter Blick, ach hohe Engelsmienen,

ach Rede, die das feigste Herz Erkühnen

gelehrt, und Sanftmut jedes rauh und wilde.

 

Ach Lächeln, dem der Pfeil entsprang, des Milde

durch Tod, als einz’ges Gut, mit wolle sühnen;

ach Seele, würdig, daß ihr Welten dienen,

stiegst du zu spät nicht auf dies Erdgefilde!

 

Für euch muß ich entglühn, in euch nur leben,

denn euer war ich: Seid ihr mir entnommen,

kann mir das Unglück nichts mehr abgewinnen.

 

Einst gabt ihr meiner Hoffnung schönes Leben,

als Abschied ich vom höchsten Glück genommen;

allein die Worte trug der Wind von hinnen.

 

 

 

In ihrer Schönheit blütenreichstem Prangen,

wenn Amor herrscht in ganzer Kraftesfülle,

ist sie, der erde leih’nd die Erdenhülle,

mit meinem Lebenshauch davongegangen.

 

Lebendig hat der Himmel sie empfangen,

von wo mich lenkt und mir gebeut ihr Wile.

Warum hält mich des letzten Tages Stille,

der erst im andern Leben, nicht umfangen?

 

Damit, so wie ihr folgen die Gedanken,

leicht, willig, froh, die seele zu ihr flüchte,

und mich auf ewig fliehn die Schmerzensscharen.

 

Gefährlich ist der Aufschub für den Kranken;

des Selbstes Last macht wachsend mich zunichte:

O schön zu sterben heute vor drei Jahren!

 

 

 

Wenn girrend sich die Vögelein besprechen,

ein Lüftchen sanft durch grüne Zweige wehet,

und leises Murmeln von kristallnen Bächen

des blühenden Gefildes Reiz erhöhet,

 

wo Amor dichtend mir zur Seite stehet;

dann seh’ ich sie und hör’ die Sel’ge sprechen,

die uns der Himmel wies, der Tod gemähet,

und die von fern auch strebt mein Leid zu brechen.

 

„Warum so vor der Zeit dich selbst verzehren“,

sagt sie mir mitleidsvoll, „und immer weinend

stündlich erneuern deine Leidgeschichte?

 

Nicht wein um mich; versetzt in ew’ge Sphären

hat mich der Tod, und zu entschlummern scheinend,

erschloß mein Auge sich dem ew’gen Lichte.“

 

 

 

Nicht kann die Mutter dem geliebten Kinde,

dem teuern Manne nicht die Frau gewähren

so treue Weisung, unter Angst und Zähren,

wie möglicher Gefahr er sich entwinde;

 

als jene mir, die mich im Land der Sünde

gewahrt von ihrem Sitz in ew’gen Sphären

und würdigt, huldreich sich zu mir zu kehren,

um ihre Stirn des Mitleids schöne Binde.

 

Bald eine Mutter, bald Geliebte, bebet

und glühet sie, entbrannt zu unterweisen,

was suchen ich, was meiden soll hienieden.

 

Sie schildert mir des Menschenlebens Weisen,

sie lockt die Seele, bis sie sich erhebet,

und nur, weil sie spricht, fühl’ ich ein’gen Frieden.

 

 

 

Wenn ich der Seufzer sanften Hauch beschriebe,

der ihr entströmt, die Herrin mir auf Erden,

und sie verließ, im Himmel es zu werden,

obgleich mir scheint, sie atme, fühl und liebe:

 

O wie erweckt’ ich redend heiße Triebe!

So zeigt sie sich mit liebenden Gebärden,

besorgt, daß ich erliege den Beschwerden,

links ausweich’ oder meinen Lauf verschiebe.

 

Zur Hölle lehrt sie mich den Blick erheben,

und ich die keuschen Schmeichelworte hörend,

der Bitten und Verweise holdes Locken;

 

ich muß mich ganz den Weisungen ergeben

der Rede, die so wonniglich belehrend

selbst einem Marmor Tränen könnt’ entlocken.

 

 

 

Wo ist die Stirne, die mit leisem Neigen

das Herz im Busen lenkte nach Belieben?

Wo sind die Braun, die Sterne wo geblieben,

gewohnt, die Doppelflamme mir zu zeigen?

 

Die Kenntnis wo, der Wert und Geist ihr eigen,

das Wort, gehaucht von sittsam holden Trieben,

und wo die Schönheit, würdig nie beschrieben,

die mich so lange zwang, mich ihr zu beugen?

 

Wo ist des Angesichtes lieber Schatten,

das Ruh der müden Seele tat gewähren,

und wo mein Denken all man konnte lesen?

 

Wo ist sie, der wir uns ergeben hatten?

Wieviel gebricht der Welt, wieviel entbehren,

ach, meine Augen, welche nie genesen!

 

 

 

Das hohe Wunder, das zu unsern Zeiten

der Welt erschien, um bald aus ihr zu weichen,

vom Himmel nur gezeigt, um ohnegleichen

Glanz in den Sternenkreisen zu verbreiten;

 

dem, der’s nicht sah, soll ich’s lebendig deuten,

will Amor, der die Feder mir zu reichen

bereit, mich nie das Ziel doch lehrt’ erreichen,

dem Geist und Zeit sich stets vergebens weihten.

 

Fern sind die Töne von dem höchsten Preise;

das fühl’ ich, und ein jeder sieht’s mit Klarheit,

der redend strebt die Liebe zu erheben.

 

Wer ganz das Wahre kennt, erwäge leise,

daß alle Sprach ihm weicht, und seufz’: in Wahrheit

beglückt die Augen, die sie sahn im Leben.

 

 

 

Den schärfsten Pfeil hast du jetzt abgeschossen,

grausamer Tod; aus Amors Heiligtume

den höchsten Schatz entwandt, der Schönheit Blume

vertilgt und Licht, und in ein Grab verschlossen.

 

Du hast von unserm Leben ausgeschlossen,

was ihm zum Schmuck geblüht und Eigentume;

doch scheiterst du am wahren Wert und Ruhme,

denn in Gebeinen wohnst du eingeschlossen;

 

das andre hat der Himmel, der am Glanze,

wie einer schönern Sonne, sich vergnüget,

weil hier sein Lob tönt von der Edlen Zungen.

 

Jetzt, neuer Engel in dem Siegeskranze,

sei dort von Mitleid so dein Herz besieget,

wie deine Schönheit einst mich hier bezwungen.

 

 

 

Den Duft, die Kühlung und den holden Schatten

des süßen Lorbeers, samt der schönen Blüte,

die Licht und Ruhe gaben dem Gemüte,

hat mir geraubt, wer nimmer kann erstatten.

 

Wie uns die Sonne bei des Monds Umschatten,

schwand mir das Licht, das meinem Leben glühte;

zum Tode ruf’ ich, daß er Tod vergüte:

So läßt mich Amor von dem Schmerz ermatten.

 

Ein kurzer Schlaf hielt, Laura, dich umfangen;

jetzt sahn die sel’gen Geister dein Erwachen,

da wo die Seele heim zum Schöpfer kehret.

 

Und wenn die Reime gänzlich nicht mißlangen,

so werden ew’gen Ruhm sie dir vermachen,

und bei den Edlen lebst du hochverehret.

 

 

 

Kann fromme Lieb gerechten Lohn verlangen,

ist schönes Mitleid noch nicht ganz zerronnen,

so hoff’ ich: Meine Treu ist hell wie Sonnen,

der Welt und der Gebiet’rin aufgegangen.

 

Sonst zweifelte, jetzt weiß sie, frei von Bangen,

daß stets mein Wollen war wie heut gesonnen;

was Wahrheit, Blick und Wort ihr sonst gewonnen,

kann sie vom Herzen, das sie sieht, erlangen.

 

Auch rührt gewiß sie meiner Sehnsucht Fülle

in jener Herrlichkeit; denn sie erscheinet

mit Blicken mir, die holdes Mitleid trübet.

 

Und hoff’ ich, nach dem Sinken dieser Hülle,

daß sie mich ihr und unsrer Schar vereinet,

die treu den Heiland und die Tugend liebet.

 

 

 

Einst war’s vielleicht ein süßes Glück zu lieben,

vor meiner Zeit; nun hat’s sich umgekehret,

und bitter ist’s durchaus. Erfahrung lehret,

und mir zum Schmerz hab’ ich ihr Werk getrieben.

 

Sie, die der Schmuck von unsrer Zeit geblieben,

die jetzt den Himmel schmücket und verkläret,

hat wen’ge Ruh im Leben mir gewähret,

und nun sie ganz aus meiner Brust vertrieben.

 

Der Tod hat grausam alles mir entzogen,

und nicht kann Trost mir aus dem Glück entsprießen

des schönen Geists, der himmelwärts geflogen.

 

Ich weint’ und sang: So wird es ewig fließen,

und Tag und Nacht die innern Schmerzenswogen

durch Zung’ und Auge strömend sich ergießen.

 

 

 

Die Zunge trieben Lieb und Schmerz vereinet,

daß sie verirrt sich unterwand, in Klagen,

von ihr, für die ich glüht’ und sang, zu sagen,

was unrecht wär’, hätt ich es so gemeinet.

 

Denn sollte nicht, wie sehr mein Auge weinet,

ob ihrem Glück das Herz beruhigt schlagen,

da ihm, den im ihr’gen stets getragen,

jetzt innig sie verbunden mir erscheinet?

 

Und Ruhe hab’ ich, Trost ist mir gegeben;

hier wünsch’ ich nicht sie wieder zu begrüßen,

allein will ich hier sterben und hier leben.

 

Sieht mehr denn je doch Schönheit sie umfließen

mein innres Auge, und mit Engeln schweben

vor unserm Herrn, gebeugt zu seinen Füßen.

 

 

 

Die schönsten Augen und ein Glanzgebilde

von Angesicht, der Locken goldne Flechten,

die selbst den Glanz der Sonnenstrahlen schwächten,

ein Lächeln, wie die Rede, sanft und milde;

 

ein Arm, ein Händepaar, um jedes wilde

Gemüt in Amors Schlingen zu verflechten,

ein Fuß, wie ihn des Bildners Träume dächten,

und die Gestalt aus himmlischem Gefilde

 

belebten mich dereinst, und sind die Freude

des Höchsten jetzt und seiner Himmelsboten,

indes ich hier verblieb in Not und Wehe.

 

Nur einen Trost erwart’ ich meinem Leide:

Daß sie, der ich mein Innres dargeboten,

bei ihr zu sein, für ihren Freund erflehe.

 

 

 

 

So oft hab’ ich im Schlummer schon empfunden

das Wehn des sel’gen Geistes, daß ich’s wage,

und ihr das lange, bittre Leiden klage,

nie hätt’ ich, lebte sie, den Mut gefunden.

 

Vom Ursprung red’ ich aller Liebeswunden,

vom ersten Blick, den ich im Herzen trage,

dann unterm Wechsel vieler Lust und Plage,

wie Amor mich zernagt im Lauf der Stunden.

 

Sie schweigt und holdes Mitleid in den Zügen,

blickt sie auf mich, und leise Seufzer tönen,

indes ihr Antlitz weinend sich verkläret;

 

bis meine Seele, wenn die Schmerzen siegen,

und kämpfend mit der Flut der heißen Tränen,

befreit vom Schlafe, wieder zu sich kehret.

 

 

 

Es hielt mich Amor einundzwanzig Jahre

froh in der Glut und hoffnungsvoll im Leiden;

als sie verschied, mit ihr des Herzens Freuden,

zehn Jahr’ noch weinend an der Todesbahre.

 

Jetzt bin ich’s müd; unsel’ger Irrtum, fahre,

der mich gemacht, des Lebens Wert vergeuden.

Gib, großer Gott, daß ich vor meinem Scheiden

die letzten Augenblicke dir bewahre;

 

bereuend die verschwendeten Sekunden,

zu besserem Gebrauche mir verliehen,

die Ruh zu suchen, nicht die innern Wunden.

 

Herr, der an diesen Kerker mich gebunden,

laß mich mit ihm die ew’gen Qualen fliehen,

denn innig hab’ ich meine Schuld empfunden!